Karriere mit Lehre: Mythos und Wahrheit über Lehrberufe
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Wie soll es nach der Pflichtschule weitergehen? Keine leichte Entscheidung für Jugendliche (und deren Eltern), zumal sich in den Köpfen meist viele Bilder über Schule, Berufe und den Arbeitsmarkt festgesetzt haben.
Wir haben bei Lehrlingskoordinator Benjamin Meisenbichler nachgefragt, welche Mythen über die Lehre sich nach wie vor verbreiten und wie eine Lehre bei der OMV – einem der größten Lehrlingsausbilder in Österreich - tatsächlich aussieht
Mythos: Mit einer Lehre ist man eingeschränkt und kann nur einen bestimmten Job machen
„Das kommt immer auf die individuelle Gestaltung im Betrieb an“, weiß Benjamin Meisenbichler. „Wir bilden auf jeden Fall deutlich über das jeweilige Berufsbild hinaus aus. Bei der Elektrotechnik setzen wir etwa stark auf Zukunftsthemen wie zum Beispiel Erneuerbare Energien und haben dafür ein eigenes Sondermodul kreiert. In der Chemieverfahrenstechnik implementieren wir gerade ein Augmented Reality Tool in die Ausbildung und weil bei uns die Arbeitssicherheit an oberster Stelle steht, haben wir seit vielen Jahren unseren mehrfach preisgekrönten SAVE 3D Simulator in der Ausbildung im Einsatz.“
Diese Zusatzqualifikationen werden an der Future Academy in Gänserndorf (NÖ) unterrichtet, einem eigenen Ausbildungszentrum in Kooperation mit der TÜV Austria Akademie. „Die Future Academy ist neben der üblichen dualen Ausbildung mit Unterricht in der Berufsschule und Praxis im Betrieb unsere dritte Säule“, erklärt Benjamin. „Bei den Lehrabschlussprüfungen haben die Prüfer:innen meistens eine Freude mit unseren Lehrlingen, weil es ein echtes Fachgespräch auf Augenhöhe ist“, zeigt sich Benjamin stolz auf seine Schützlinge.
Der Lehrlingskoordinator verweist auf die hohe Weiterbildungsquote im Unternehmen: „Ein Großteil der Belegschaft hat eine Zusatzqualifikation wie etwa die Werkmeisterschule, die Matura oder in manchen Fällen auch ein Studium.“
Mythos: Mit einer Lehre hat man weniger Chancen auf dem Jobmarkt als mit Matura oder Studium
Der aktuelle Jobmarkt zeigt: Techniker:innen sind in allen Bereichen dringend gesucht. „Unser Ziel ist es, jeden Lehrling als Facharbeiter:in auszubilden und zu übernehmen.“, sagt Benjamin.
In einigen Berufen ist es sogar unumgänglich, den eigenen Nachwuchs auszubilden. „Chemieverfahrenstechniker:innen sind auf dem freien Jobmarkt kaum verfügbar. Der Lehrberuf ist bei uns speziell auf den Raffineriebetrieb zugeschnitten und wird auch in Kombination mit Labortechnik angeboten“, erzählt Benjamin. Seit Jahren ist auch das Modell Lehre mit Matura erfolgreich: „Wir bieten das allen Lehrlingen an, direkt am Standort und teilweise auch in der Arbeitszeit, somit kann jede:r wenn gewünscht ein Jahr nach der Lehrabschlussprüfung die letzte Fachprüfung zur Matura machen und hat gleich zwei Abschlüsse in der Tasche.“
Den Lehrlingen stehen die gleichen Karrierepfade zur Verfügung wie allen anderen Mitarbeiter:innen. „Es ist absolut üblich, dass Lehrlinge bei uns die Weiterbildung zum oder zur Leitstandsfahrer:in machen oder sogar in höhere Positionen wie Department Manager oder Anlagenleiter:in aufsteigen. Wir hatten auch schon Vorstandsmitglieder, die als Lehrling in der OMV begonnen haben.“
Mythos: Eine Lehre macht man nur, wenn man die Matura nicht schafft
Die Lehre ist natürlich nicht als Plan B zur Matura zu sehen, sondern abhängig von beruflichen Wünschen und Zielen”, sagt Benjamin. „Ich zum Beispiel wusste wie viele andere in dem Alter nicht genau, was ich machen will, und bin eher aus Verlegenheit an der Schule geblieben und habe die Matura gemacht. Später habe ich beim Zivildienst meine Neigung zu gesundheitlichen Themen entdeckt und eine Lehre zum Fitnessbetreuer abgeschlossen. Mit der Arbeit im Fitnessstudio kam dann das verstärkte Interesse an wirtschaftlichen Themen, also habe ich noch zwei wirtschaftliche Studien angehängt und mich noch einmal in eine ganz andere Richtung entwickelt. Man sieht also deutlich: Jeder Ausbildungsweg ist anders.“
„Gerade mit der Chemieverfahrenstechnik und der Automatisierungs- und Prozessleittechnik haben wir in der OMV zwei sehr anspruchsvolle Lehrberufe. Wenn wir Schulen zu Besuch haben, sind selbst HTL-Lehrer beeindruckt von unserem Ausbildungsniveau. Bei der Lehre müssen die Lehrlinge genauso ihr Können und ihr Wissen unter Beweis stellen wie in einer höheren Schule.“
Mythos: Technische Lehrberufe sind nur etwas für Burschen
„Der Mythos kommt aus einer Zeit, als Industrieberufe noch mit schwerer körperlicher Arbeit einhergingen und Männer einen Kraftvorteil hatten“, erzählt Benjamin. „Heute haben wir ganz andere Werkzeuge und Hilfsmittel, sodass jeder Beruf genauso gut von Frauen ausgeübt werden kann. Wir haben etwa 20% weibliche Lehrlinge in den technischen Berufen und wünschen uns noch mehr Bewerberinnen.“ So wird etwa auf Berufsmessen aktiv Aufklärungsarbeit geleistet, um mehr Mädchen für technische Berufe zu begeistern.
Mythos: Mit einer Lehre beginnt der Ernst des Lebens früher und man arbeitet nur noch
„Ich würde es umdrehen und sagen: Man hat früher die Möglichkeit, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten“, meint Benjamin. „Die Lehrlinge haben sich für eine Ausbildung entschieden, für die sie bezahlt werden, damit geht auch eine gewisse Verpflichtung einher, das ist richtig. Gleichzeitig lernen sie, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und verdienen schon ihr eigenes Geld“.
Das soziale Umfeld und die Persönlichkeitsentwicklung spielen eine große Rolle bei der Ausbildung. „Uns ist nicht egal, wie es unseren Lehrlingen vor 7 Uhr und nach 15.30 Uhr geht“, betont Benjamin. „Es gibt immer mehrere Ansprechpartner:innen, die alle ein offenes Ohr haben, sei es für Probleme in der Familie oder Herausforderungen beim Lernen. Wir schauen aufeinander, we care.“
Schon der Ausbildungsalltag ist bei der OMV abwechslungsreich gestaltet: „Wir haben zum Beispiel Englischkurse, gemeinsame Sporteinheiten während der Arbeitszeit, es gibt auch die Möglichkeit für Auslandspraktika.“ Zu Beginn der Lehrzeit gibt es außerdem ein Teambuildingevent für alle Lehrlinge in allen Lehrberufen: „Man lernt alle kennen und hat einen gemeinsamen Start in den neuen Lebensabschnitt.“
Mythos: Lehrberufe sind schlecht bezahlt
Die Einstiegsgehälter mit einem Bachelor- bzw. Masterabschluss liegen nicht weit über jenen für Jungfacharbeiter:innen.
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Angeboten wie Lehre mit Matura, Fitnesstraining, Englischkursen, etc. gibt es attraktive Prämien für gute Leistungen und zahlreiche Benefits wie günstiges und gutes Essen an jedem unserer Standorte, ein Top-Jugendticket für die Öffis, ein Lehrlings-Shuttle zwischen Gänserndorf und Schwechat, einen Einkommenszuschuss während der Zeit beim Bundesheer bzw. Zivildienst und vieles mehr. „Die Lohnverhandlungen in unserer Branche inkludieren außerdem immer auch die Lehrlinge“, fügt Benjamin hinzu.
Die Bewerbungsfrist für eine Lehre bei der OMV läuft bis 18. Februar, alle Infos zu den Lehrberufen und zur Bewerbung finden Sie hier.