Edvard Grieg: Eine Förderplattform entsteht
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Förderplattformen sind gewaltige Konstruktionen, die uns dabei helfen, Öl- und Gasreservoirs unter dem Meeresboden zu erschließen. Wie zum Beispiel Edvard Grieg, eine Plattform, die an der Westküste Norwegens erfolgreich errichtet wurde. Seit Ende 2015 fördert sie Öl aus der Nordsee, doch bis es soweit war, waren vier große und unzählige kleine Arbeitsschritte nötig. Wie aber baut man eine Förderplattform, sodass am Ende alles zusammenpasst?
Vor meinen Augen wurden tausende Tonnen auf den Millimeter genau versetzt, eine unglaubliche Leistung.
Morten Krogh, Asset Development Manager North Sea, OMV Norway
Wenn man so wie Morten Krogh seit Jahren täglich mit Offshore-Installationen zu tun hat, dann kann einen fast nichts mehr beeindrucken. Doch der 3. Juli 2015 war selbst für den erfahrenen Asset Development Manager ein besonderer Tag: 10.500 Tonnen, so schwer war das Modul, das das Schwerlastschiff „Thialf“ an diesem Tag auf das Stahlgerüst der Edvard Grieg hob. Ein Gewicht, das weltweit überhaupt nur zwei Schiffe stemmen können. Drei Stunden dauerte die Prozedur, dann folgten vier Monate Anschluss- und Fertigstellungsarbeiten, die die Förderplattform Edvard Grieg für ihre Aufgabe vorbereiteten. Es waren die letzten Schritte eines Projekts, dem über 42 Monate harte Arbeit voran gegangen waren.
Der erste Schritt: Suche nach Kooperationspartnern
„Am Anfang steht die Entscheidung, überhaupt eine neue Plattform zu bauen. In der Regel gibt es einen Betriebsführer, im Edvard Grieg Projekt ist das Lundin Norway AS, der in Abstimmung mit den anderen Projektpartnern die wichtigsten Entscheidungen trifft und die Hauptverantwortung für die Projektentwicklung trägt“, erzählt Morten Krogh. Der Grund, warum mehrere Unternehmen in solch einem Projekt involviert sind, liegt auf der Hand: Förderplattformen zu bauen ist eine komplexe und kostenintensive Angelegenheit. Deshalb kooperieren Öl- und Gasunternehmen mit anderen Unternehmen ihrer Branche, die ihre Expertise und Erfahrungen einbringen.
In Norwegen haben wir eine gewisse Tradition, Förderplattformen in enger Zusammenarbeit mit den Kontraktoren und den Partnerfirmen zu bauen.
Anders Henriksson, Projektmanager für die Edvard Grieg Feldentwicklung, Lundin Norway
Das Design der Plattform entsteht
In das Edvard Grieg Projekt stieg die OMV 2012 ein. Zu diesem Zeitpunkt war die sogenannte „Engineering und Procurement Phase“ bereits geschafft. In diesen ersten Monaten wird die Plattform geplant, und zwar von der Größe des Helikopterdecks bis zur einzelnen Steckdose in der Wand. „Was banal klingt, kann am Ende entscheidend sein“, sagt Morten Krogh. Denn selbst kleine Fehler im Design können später zu Verzögerungen führen und dadurch mehrere Millionen Euro kosten. Damit das nicht passiert, werden Computersimulationen erstellt und mit ihnen überprüft, ob man auch an alles gedacht hat. Am Design von Edvard Grieg haben hunderte Ingenieurinnen und Ingenieure in Indien und Norwegen fast eineinhalb Jahre lang gefeilt.
Und diese genauen Vorarbeiten, sagt Morten Krogh, zahlen sich aus: „In den frühen Bauphasen hat man bei Lundin gute Entscheidungen getroffen und bei der Planung die anderen Partnerunternehmen und ihre Erfahrungen stark eingebunden. Die offene Kommunikationskultur Lundins machte es für uns zudem möglich, eine aktive Rolle beim Edvard Grieg Projekt zu übernehmen.“
Die Bauphase beginnt
Der eigentliche Bau der Plattform – die sogenannte Fabrication Phase – ist wiederum ein Megaprojekt für sich: Edvard Grieg wurde insgesamt in fünf verschiedenen Werften in Polen und Norwegen gebaut. Warum das so ist, sagt Morten Krogh, hat mehrere Gründe: So wie bei einem Haus, in dem jedes Zimmer verschiedene Funktionen übernimmt, besteht auch eine Förderplattform aus Teilmodulen, die jeweils eigene Aufgaben erfüllen:
Die Dimensionen der jeweiligen Einzelteile sind gigantisch – allein der Gasfackelmast hat ein Gewicht von 252 Tonnen, das tragende Stahlgerüst (Jacket) wiegt gar 13.000 Tonnen. Und weil das die Kapazitäten einer einzelnen Werft sprengen würde, werden die Einzelteile an verschiedenen Standorten gebaut. Der zweite Grund dafür ist, dass die Aufträge auch an jene vergeben werden, die die Arbeit am besten und effizientesten erledigen können, sagt Morten Krogh.
Stück für Stück – die Einzelteile finden zusammen
Nach über zwei Jahren beginnt beim Bau einer Förderplattform wie Edvard Grieg so langsam die kritische Phase: In der sogenannten Assembly Phase stellt sich nämlich heraus, ob sich all die Mühen zu Beginn gelohnt haben. Nun werden die Einzelteile verschifft, gesammelt und nach und nach zusammengebaut. Über mehrere Wochen sorgen über 600 Arbeiterinnen und Arbeiter dafür, dass jedes Kabel, jedes Rohr und jede Wand auch richtig zusammengefügt wird, erklärt Morten Krogh: „An Land werden die einzelnen Module einer Bohrinsel soweit es geht fertiggestellt.“
Aber selbst ein Schwerlastschiff wie Thialf würde bei einem Gewicht von ca. 22.500 Tonnen, das das gesamte Topside Module der Plattform wiegt, an seine Grenzen stoßen. Deshalb kann die Plattform erst auf hoher See fertiggebaut werden. Dazu kommen die fertigen Einzelteile auf Lastkähne, die sie hinaus aufs Meer bringen, wo bereits das tragende Stahlgerüst steht, das rund ein Jahr zuvor am Meeresgrund abgesetzt und stabilisiert worden war. Nach und nach werden die Einzelmodule nun mithilfe von riesigen Kranschiffen auf den Sockel gehoben und montiert.
Auf die Probe gestellt – die Testphase
Und wenn, so wie am 3. Juli 2015, alles gut geht, dann können nach einem erneuten Check die Systeme schrittweise an die zukünftige operative Mannschaft der Plattform übergeben werden. Und das, sagt Anders Henriksson, kann mehrere Wochen dauern: „Wir testen die Systeme und das Material, das wir auf der Plattform verwenden sehr gründlich. Und erst dann beginnt die operative Mannschaft auf der Plattform ihre Arbeit.“
Aber auch wenn der „Heavy Lift“ mit der Thialf und all die aufwendigen Abschlussarbeiten auf hoher See spektakulär klingen mögen – sie sind nicht das, was den Bau einer Bohrinsel zu einer Herausforderung macht. Was eine Bohrinsel ausmacht, sagt Morten Krogh, ist das, was hunderte Kolleginnen und Kollegen in den Monaten davor an Planung, Organisation und technischer Feinarbeit geleistet haben: Ingenieurarbeit nach Maß.
Erstes Öl aus Edvard Grieg – Produktionsstart
Am 28. November 2015 war es schließlich so weit: Start der Ölproduktion im Edvard Grieg Feld. Sehen Sie im folgenden Video einige der spannendsten Momente und wichtigsten Meilensteine dieses Projekts (in Englisch):
Hintergrundinformation:
- Das Edvard Grieg Konsortium: Lundin Norway AS (Betriebsführer, 50 %), OMV (Norge) (20 %), Wintershall Norge (15 %), Statoil (15 %).
- Das Edvard Grieg Feld wurde 2007 entdeckt. Es liegt ca. 180 km westlich von Stavanger an der norwegischen Westküste.
- Von den Verankerungen im Meeresboden bis zur Spitze misst die Förderplattform 202 Meter, insgesamt wiegt sie weit über 30.000 Tonnen – mehr als dreimal so viel wie der Eiffelturm.
- Basierend auf Planungen soll die Plattform in Spitzenzeiten aus über 15 Bohrlöchern rund 100.000 Barrel Öl pro Tag fördern.