Kunststoffe: Der direkte Draht zur Energiewende
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Welche Rolle spielen Kunststoffe bei der Energiewende und können sie Teil einer nachhaltigen Welt der Zukunft sein? Wir haben mit Bart Verheule, Director Global Marketing Energy bei Borealis, darüber gesprochen, wie Kunststoffe die Umstellung auf erneuerbare Energien ermöglichen, was die "German Corridors" sind und wie viele Kabel wir in Zukunft brauchen werden.
Im Zuge der Umstellung der Kunststoffindustrie auf nachhaltigere Produktionsquellen, sind Kunststoffe auch ein wichtiger Faktor in der Energiewende: Sie werden als Isolierung und Schutz in Kabeln verwendet. "Kabel werden in Zukunft eine große Rolle einnehmen, weil der Strombedarf steigt und Strom aus erneuerbaren Energien oft über sehr lange Strecken transportiert werden muss", so der Energieexperte.
Ein Beispiel dafür sind die sogenannten "German Corridors", einer Reihe von unterirdischen Stromleitungen, die Strom aus Offshore-Windparks über Hunderte von Kilometern transportieren sollen. In der Endausbaustufe werden diese Leitungen eine Kapazität von rund 8 Gigawatt haben. Das entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von ganz Österreich.
Wie viele Kabel werden wir in Zukunft brauchen?
"Allein in einem einzigen Haus hat man durchschnittlich 2 bis 3 km Kabel", sagt Bart. "Die Zahlen auf einen weltweiten Bedarf hochzurechnen, ist sehr schwierig. Sicher ist jedoch, dass wir das globale Stromnetz bei der Umstellung auf erneuerbare Energien neu organisieren müssen. In den nächsten Jahren werden wir viermal so viele Windparks bauen müssen, wie wir bereits haben. Mehr Windkraftanlagen bedeuten auch mehr Kabel.“ Diese Kabel müssen hohen Anforderungen genügen, da sie zum Beispiel auch unter Wasser und für längere Strecken eingesetzt werden.
Die Herausforderung: Elektrizität transportieren
Die Schwachstellen in Kabelsystemen sind die Steckverbinder. Möglichst lange Kabel ohne Steckverbinder sind daher das Ziel. Das könnte mit "Borlink™" erreicht werden, einer neuen Technologie von Borealis, mit der extra lange Kabel hergestellt werden, wie sie etwa in den „German Corridors“ verwendet werden. "Wir haben zum Beispiel einen Kabelhersteller in Asien, der in der Lage war, ein 500-Kilovolt-Kabel, 20 Kilogramm pro Meter Kabel, mehr als 20 Tage lang in kontinuierlicher Produktion herzustellen. Das Ergebnis war ein 60 km langes Kabel, das ohne Steckverbinder vom Festland zu einem Windpark führen kann. Die so hergestellten Kabel erreichen höhere Spannungs- und Übertragungspegel und sind daher effizienter. Statt zwei Kabeln braucht man nur mehr eines.”
Kabel in einer Circular Economy?
"Wir garantieren eine Lebensdauer von 20 Jahren für Kabel, und normalerweise halten sie 40 Jahre", erklärt der Experte. "Kabel sind also etwas ganz anderes als Einwegkunststoffe, die nur einmal verwendet werden. Wir sprechen hier von langlebigen Kunststoffen, die höchste Anforderungen an Beständigkeit und Zuverlässigkeit erfüllen müssen."
In puncto Recycling müssen wir außerdem zwischen der Isolierung und der Schutzhülle unterscheiden. "Würden wir mechanisch recyceltes Material in den Dämmstoff einarbeiten, würde das zu Leistungseinbußen führen. Aus diesem Grund müssen wir uns in diesem Bereich immer noch auf neue Kunststoffe, so genannte “virgin plastics” verlassen, um die Reinheit und Qualität zu gewährleisten, die für die Leistung erforderlich sind.”
Für die äußere Schutzhülle können jedoch recycelte Materialien verwendet werden. "Wir entwickeln gerade ein Ummantelungsmaterial, das mechanisch recycelte Kunststoffe enthält und am Ende seiner Lebensdauer auch wieder recycelt werden kann. Wir haben auch ein paar Pilotprojekte laufen, bei denen wir unser "Bornewables™ -Material" für die Kabelproduktion verwenden", erzählt Bart.
"Bei den Bornewables™ handelt es sich um Kunststoffe, die aus biobasierten Rohstoffen der zweiten Generation wie Altöl, Rückständen aus der Pflanzenölproduktion und Ölabfällen hergestellt werden. Im Grunde ist es derselbe Prozess wie bei der Herstellung von Kunststoffen aus Mineralöl."
Nachhaltigkeit kann viele Formen annehmen
"Neben dem Thema Recycling ist uns die Dekarbonisierung des Produktionsprozesses ein großes Anliegen, wenn es um Nachhaltigkeit geht", sagt er. "Daran arbeiten wir stetig und es ist fest in unserer Strategie verankert." Kunststoffe werden auch in Photovoltaikanlagen eingesetzt, so dass sie aus erneuerbaren Energiequellen nicht mehr wegzudenken sind. "Kunststoffe sind ein wichtiges Bindeglied zwischen traditioneller und neuer Energie", ist der Spezialist überzeugt.