Interview mit Alfred Stern: „Ein Meilenstein für OMV und die chemische Industrie weltweit“

OMV CEO Alfred Stern

14. Apr. 2025

5 Min

Alfred Stern

Alfred Stern

Herr Stern, OMV und ADNOC haben vor Kurzem die Gründung von Borouge Group International bekannt gegeben. Warum ist diese Transaktion von so großer Bedeutung?

Alfred Stern: Diese Transaktion ist in der Tat ein entscheidender Meilenstein für OMV und die gesamte chemische Industrie. Gemeinsam mit ADNOC werden wir Borealis und Borouge zu Borouge Group International zusammenlegen. Dieses neue Unternehmen wird Nova Chemicals übernehmen und damit seine Präsenz in Nordamerika weiter ausbauen. Der Zusammenschluss basiert auf den sich hervorragend ergänzenden Stärken dieser drei international führenden Unternehmen. Letztendlich entsteht so der viertgrößte Polyolefin-Hersteller der Welt – mit einem Unternehmenswert von mehr als USD 60 Milliarden.

Wann wird Borouge Group International seine Geschäftstätigkeit aufnehmen?

Alfred Stern: Die Transaktion wird voraussichtlich im ersten Quartal 2026 abgeschlossen sein, vorbehaltlich behördlicher und anderer üblicher Genehmigungen. Die Genehmigung durch den OMV Aufsichtsrat liegt bereits vor.

Welche Rolle spielt ADNOC in dieser Partnerschaft?

Alfred Stern: ADNOC ist seit über 25 Jahren ein zuverlässiger strategischer Partner. Wir bauen auf einer gemeinsamen Vision und Erfolgsbilanz auf – wie etwa bei der Gründung und dem Ausbau von Unternehmen. Borouge 1, 2 und 3, und bald auch Borouge 4 sind dafür hervorragende Beispiele. Die neu geschaffene globale Borouge Group International wird von uns gemeinsam kontrolliert werden. Dazu gehört eine starke Unternehmenssteuerung nach internationalen Standards sowie eine geteilte Vision für künftiges Wachstum.


Was waren die wichtigsten Erwägungen bei den Verhandlungen zwischen OMV und ADNOC?

Alfred Stern: Die Transaktion war mit mehreren richtungsweisenden Veränderungen verbunden. Es war deshalb wesentlich, gegenseitiges Einvernehmen zu zentralen Aspekten der Verhandlungen zu erzielen. Internationale Marktführerschaft lässt sich nicht von heute auf morgen aufbauen. Gründlichkeit geht uns absolut vor Schnelligkeit: Wir haben uns deshalb Zeit genommen, die Interessen aller Stakeholder bestmöglich zu berücksichtigen. Unser Ziel war es, eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu erreichen. Und ich freue mich sehr, dass uns das gelungen ist.

Inwiefern passt die Transaktion zur langfristigen Strategie von OMV?

Alfred Stern: Die Zusammenlegung von Borealis und Borouge und die anschließende Übernahme von Nova Chemicals sind ein wichtiger Wachstumsschritt für unseren Geschäftsbereich Chemicals. Sie ist eine tragende Säule unserer Strategie 2030. Wir treiben unsere Transformation im Bereich Chemicals voran. Dazu gehören der Ausbau unseres innovativen Polyolefin-Geschäfts, die geografische Diversifizierung, ein Fokus auf Lösungen für die Kreislaufwirtschaft – und unsere Entwicklung hin zu einem integrierten Anbieter nachhaltiger Chemikalien, Kraftstoffe und Energie. Für uns und die gesamte Branche ist das ein Paradigmenwechsel.

Wie wird sich OMV verändern und welche Vorteile resultieren daraus?

Alfred Stern: Heute haben wir mit Borealis ein hochgradig innovatives Unternehmen, das in Europa verwurzelt ist. Mit unserer Beteiligung zu gleichen Teilen an Borouge Group International werden OMV und ADNOC in die globale Liga der Polyolefin-Hersteller aufsteigen. Einer der strategischen Schwerpunkte ist Innovation. Mit mehr als 16.500 erteilten Patenten wird Borouge Group International durch seine führende technologische Expertise und Kapazitäten im Bereich Forschung und Entwicklung, einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil haben. Zudem wird der Zugang zu kostengünstigen Rohstoffen für rund 70 Prozent seiner Produktionskapazität relevant sein. Das macht das gesamte Unternehmen deutlich wettbewerbsfähiger und breit diversifiziert über Nord- und Südamerika, Europa sowie Mittlerer Osten und Asien.

Was bedeutet das für Österreich?

Alfred Stern: Das sind für Österreich und für Europa gleichermaßen sehr gute Nachrichten. Durch diese Transaktion eröffnen sich in vielerlei Hinsicht völlig neue Möglichkeiten. Borouge Group International wird seinen Hauptsitz in Wien haben und in Österreich steuerlich ansässig sein. Auch das Management und das Führungsteam von Borouge Group International wird künftig in Wien tätig sein. Das macht die österreichische Hauptstadt zur neuen Drehscheibe der globalen Chemieindustrie.

Wo wird das neue Unternehmen börsennotiert sein?

Alfred Stern: Borouge Group International wird an der Abu Dhabi Securities Exchange (ADX) notieren, zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Zweitnotierung im Leitindex ATX der Wiener Börse geplant. Das neue Unternehmen wird deutlich größer als OMV sein. Unser Anteil daran wird – ebenso wie der von ADNOC – bei 46,94 Prozent liegen. Im ATX ist derzeit kein Unternehmen dieser Größenordnung notiert. Auch das zeigt, wie viel Potenzial in dieser Transaktion für Österreich steckt.


Können Sie garantieren, dass OMV seinen Aktionär:innen, zu denen ja auch die Republik Österreich gehört, künftig vergleichbare Dividenden wie bisher zahlt?

Alfred Stern: Für 2024 wird OMV eine Dividende von EUR 4,75 je Aktie vorschlagen. Auf Basis des Aktienkurses im Dezember entspricht dies einer Dividendenrendite von über 12 Prozent. Die Dividende für 2025 wird gemäß unserer bestehenden Dividendenpolitik gezahlt – und auch darüber hinaus werden wir eine wettbewerbsfähige Dividende anbieten. Dieser Grundsatz wird durch die Netto-Mindestdividende von rund USD 1 Milliarde unterstrichen, die OMV von Borouge Group International erhalten soll.

Eine letzte Frage, Herr Stern: Wie geht es mit OMV weiter?

Alfred Stern: Ich bin ich sehr optimistisch. Das Momentum ist auf unserer Seite. „People make it happen“ – davon sind wir bei OMV fest überzeugt. Gemeinsam werden wir unsere Strategie 2030 weiter umsetzen und unser Versprechen einlösen, die Grundlagen für ein nachhaltiges Leben neu zu erfinden.