ReOil: Aus Kunststoff wieder Öl gewinnen
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Kunststoff ist ein Multitalent! Er kann stahlhart, hochflexibel, federleicht, glasklar und vieles mehr sein. Unser gewohnter Alltag ist ohne ihn unvorstellbar. Das Skurrile: Wir schmeißen täglich Tonnen an Kunststoff weg, obwohl er auch nach seiner Nutzung wertvoll bleibt.
Kunststoff ist Abfall!
10 bis 20 Jahre braucht eine Obstverpackung für den Zerfall. Es ist also fatal, Kunststoff einfach wegzuschmeißen. Da wäre es doch sinnvoll, wenn man den Herstellungsprozess umdrehen könnte und aus Kunststoffabfall wieder ein recyceltes Rohöl herstellt. Aber davor stehen einige Herausforderungen.
Kunststoff ist Erdöl!
Für die Rückgewinnung muss man Kunststoff auf über 400 °C erhitzen. Bei dieser Temperatur werden die langen Kunststoffmolekülketten depolymerisiert (also zerkleinert bzw. zerlegt) und es entsteht synthetisches Rohöl. Die Theorie klingt machbar, aber die Praxis hat es in sich. Denn Kunststoffe sind schlechte Wärmeleiter im Vergleich zu Glas, Keramik oder Metall. Also wie bringt man die notwendige Wärme in den Altkunststoff? Diese Probleme haben Wolfgang Hofer, der für den Raffineriebereich neue Technologie- und Rohstofflösungen vorantreibt, lange beschäftigt. 2010 hatte er die zündende Idee, wie man hochwertiges Öl effizient aus dem Kunststoff gewinnen kann.
Es wäre doch besser, wenn man Altkunststoffe in ein synthetisches Öl umwandeln könnte, um aus diesem Rohstoff entweder neuen Kunststoff oder Energie für Mobilität zu machen. So hätten wir auch hier eine Kreislaufwirtschaft, wie bei Papier.
Wolfgang Hofer, Senior Expert New Technology, OMV Raffinerie Schwechat
Kunststoff ist Kreislauf!
Das war der Startschuss für ReOil. Drei Jahre später konnten Wolfgang Hofer und sein Team bereits die erste Versuchsanlage im sogenannten Technikum in der Raffinerie Schwechat in Betrieb nehmen. Am Erhitzen des Kunststoffabfalls führt auch bei ReOil kein Weg vorbei. Aber dabei kommt ein flüssiges Lösungsmittel ins Spiel, das gleich zwei Probleme löst, erklärt der Techniker: „Das Lösungsmittel befindet sich in der Anlage in einem Kreislauf, ist also bereits heiß. Es wird gleich am Anfang des Prozesses mit dem Kunststoff vermischt, unterstützt hier das Erhitzen und senkt durch verbesserten Wärmeübergang die notwendige Energie. Außerdem wäre die reine Kunststoffmasse zu zäh für den Transport durch die Rohre. Durch das Beimengen des Lösungsmittels haben wir auch dieses Problem im Griff.“
Diese Masse wird nach dem Einschmelzen zu Gas verdampft, dabei werden die langen Molekülketten aufgebrochen und danach durch chemische Prozesse gezielt zu kleineren Ketten wieder zusammengeführt. Damit hat man im Grunde Rohöl zurückgewonnen.
Kunststoff ist Forschung!
Das Team um Wolfgang Hofer konnte mit der Anlage nach 3 Jahren Forschung so gute Resultate nachweisen, dass die Ziele ambitionierter wurden. Anfang 2018 konnte man eine deutlich größere ReOil-Anlage mit 20-facher Kapazität in Betrieb nehmen. Sie steht nicht mehr im Technikum, sondern hat einen fixen Platz zwischen den herkömmlichen Anlagen der Raffinerie. Michael Fadler ist verantwortlich für den Betrieb. „Die Qualität der Produkte aus dem ReOil-Prozess war schon bei der Anlage im Technikum großartig und das hat sich auch jetzt nicht verändert. Wir bekommen hier am Ende ein so sauberes, hochwertiges Produkt, dass man es mit dem besten Rohöl vergleichen kann. Darum ist die neue, größere Anlage auch schon direkt in die Raffinerie eingebunden. Was wir produzieren wird für die Produktion von Kraftstoffen und anderen Raffinerieprodukten weiterverwendet.“
Die neue ReOil-Anlage kann pro Stunde bis zu 100 Kilogramm Kunststoff verarbeiten. Aus 100 Kilogramm Abfall werden am Ende rund 100 Liter wertvolles Rohöl.
Sehen Sie im Video, wie der Prozess genau funktioniert und wie die OMV ihr Forschungsprojekt auf die nächste Ebene gebracht hat.
In den kommenden Monaten hat die Mannschaft rund um Michael Fadler eine Hauptaufgabe: Die neue ReOil-Anlage muss perfekt eingestellt werden, sodass diese schlussendlich rund um die Uhr produzieren kann. Dafür muss vor allem das Zusammenspiel der einzelnen Aggregate optimiert werden. „Die Einbringung macht uns aktuell Probleme. Da gibt es mehrere Transportschnecken, die den Kunststoff in die Anlage bringen und wo es immer wieder zu Problemen bei der Beförderung der Altkunststoffe kommt. Aber das werden wir hinkriegen“, so Michael Fadler.
Wenn Michael Fadler und seine Mannschaft einen problemlosen Betrieb dieser Anlage schaffen, wird ein weiterer großer Schritt im Projekt ReOil gemacht. Die nächste Anlage soll 2.000 Kilogramm Altkunststoffe pro Stunde verarbeiten und könnte damit bereits helfen, unsere Abfallberge schrumpfen zu lassen und unsere Erdölversorgung auf ein breiteres Fundament zu stellen.
Die Qualität der Produkte aus dem ReOil-Prozess ist ausgezeichnet. Wir bekommen hier am Ende ein so sauberes, hochwertiges Produkt, dass man es mit dem besten Rohöl vergleichen kann.
Michael Fadler, Department Manager ReOil 100, OMV Raffinerie Schwechat
Kunststoff ist wertvoll!
Die Basis von Kunststoff ist Erdöl. Um das zu gewinnen werden mit aufwändigen Geräten Lagerstätten gesucht. Gibt es Hinweise auf einen Fund, werden Probebohrungen gemacht. Stößt man auf Öl, wird dort eine Förderanlage errichtet. Der Rohstoff wird dann zu Raffinerien gebracht, wo er zerlegt und mit chemischen Verfahren zu neuen Molekülketten zusammengesetzt wird. Dieser komplexe Prozess liefert die Basis für Kunststoff. In jedem Obstsackerl stecken also viel Arbeit, Energie und wertvolle Ressourcen.