Kreislaufwirtschaft: Am Anfang steht das Abfallsammeln und Sortieren

A recycling factory worker in an orange reflective vest

3. Apr. 2025

7 Min

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Plastics recycling

Vor dem Recyceln müssen Abfälle gesammelt und sortiert werden – Branchenexpert:innen erklären, worauf es dabei ankommt.

Recycling ermöglicht die Wiederverwendung gebrauchter Kunststoffe

Im Idealfall beginnt es mit der getrennten Sammlung: Jeder Haushalt entsorgt seine Wertstoffe in nach Materialien getrennten Behältern, die dann gesammelt und zur weiteren Sortierung und Wiederverwertung  zu Recyclinganlagen gebracht werden.  Dieser Prozess ist jedoch von Land zu Land und sogar von Region zu Region unterschiedlich und hängt von den örtlichen Vorschriften, der verfügbaren Infrastruktur und den Dienstleistungen sowie dem Verbraucherverhalten ab. Im nächsten Schritt werden bei Kunststoffabfälle die Abfälle mechanisch oder chemisch recycelt. Beim mechanischen Recycling werden die Abfälle durch physikalische Verfahren (z.B. Sortieren, Zerkleinern, Waschen, Schmelzen) in Rohstoffe für neue Produkte umgewandelt. Mechanisches Recycling hat eine bessere CO2-Bilanz und ist daher die erste Wahl.

Ist dies nicht möglich, dann ist chemisches Recycling die zweitbeste Option. Durch den Einsatz chemischer Verfahren (z.B. Pyrolyse, Depolymerisation), um Altkunststoffe in neue Kunststoffe in Neuwarequalität umzuwandeln, können auch schwer recycelbare Materialien in den Kreislauf zurückgeführt und wiederverwertet werden.  

Mit beiden Methoden können wir Abfälle in wertvolle Rohstoffe für die Herstellung neuer Produkte umwandeln. Mit der Borcycle M-Technologie von Borealis lassen sich beispielsweise polyolefinbasierte Post-Consumer-Abfälle in hochwertige, vielseitig einsetzbare Materialien umwandeln. Wir nennen dieses Modell der Rückgewinnung und Wiederverwertung von Wertstoffen „Kreislaufkaskade“. Im Gegensatz zum linearen Konsummodell, bei dem Rohstoffe abgebaut, zu Produkten verarbeitet, die oft nur einmal verwendet und schließlich entsorgt werden, erfordert ein nachhaltiger Konsumkreislauf Recycling. Das lineare Modell ist in vielerlei Hinsicht schlecht für die Umwelt: Der Abbau von Rohstoffen schädigt Ökosysteme und die Verbrennung von Abfällen verursacht CO2-Emissionen. Mithilfe der Kreislaufkaskade können wir dagegen Abfälle in kreislauffähige Rohstoffe umwandeln, so dass für die Herstellung neuer Kunststoffprodukte kein Rohöl gefördert werden muss.

Erste entscheidende Schritte

Die Kreislaufkaskade bietet viele ökologische und ökonomische Chancen. Leider nutzen wir sie derzeit nicht in dem Maße, wie es möglich wäre – potenziell wertvolle Materialien werden verbrannt oder deponiert, nur weil sie nicht gesammelt und sortiert werden.

„Damit fängt alles an“, sagt Joachim Amland, Geschäftsführer von TOMRA Feedstock. „Denn was nicht gesammelt und sortiert wird, kann nicht recycelt werden." TOMRA Feedstock ist auf die Entwicklung fortschrittlicher Sortieranlagen zur Rückgewinnung hochwertiger Kunststoffabfälle spezialisiert. TOMRA Feedstock gehört zu TOMRA, einem Marktführer im Bereich der Nahinfrarotsortierung (NIR) und Pfandrücknahmesysteme.

Getrennte Sammlung und Vorsortierung sind für das Recycling unerlässlich. Diese ersten entscheidenden Schritte liefern die notwendigen Wertstoffe für neue Rohstoffe. „Je mehr sortiert wird, desto einfacher ist es, eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen“, sagt Amland. Er fügt jedoch hinzu, dass dasgrößte Potenzial dabei in der Restmülltonne liegt – wo alles landet, was nicht recycelt oder wiederverwendet werden kann, und wo Verbraucher:innen viele Wertstoffe fälschlicherweise entsorgen. Da  die Abfälle aus diesen Behältern normalerweise direkt in die Verbrennung oder auf die Deponie gelangen, gehen diese Ressourcen verloren.  Um das Potenzial von Wertstoffen in gemischten Abfallströmen zu erschließen, muss ein automatischer Sortierschritt vor der Verbrennung diese Ressourcen in die Kreislaufwirtschaft zurückführen.  Ein weiterer Vorteil dieses Sortierschritts ist die Verringerung der  CO2 -Emissionen.

Recycling in der Praxis

Beim Sammeln und Sortieren gibt es ein enormes Verbesserungspotenzial. Dieses auszuschöpfen wird uns helfen, das lineare Konsummodell hinter uns zu lassen. In einigen Märkten gibt es kaum Abfalltrennung, in anderen werden Wertstoffe mit Restmüll vermischt. Selbst wenn Behälter für verschiedene Wertstoffe zur Verfügung stehen, machen die Menschen Fehler und werfen Wertstoffe in die Restmülltonne und Restmüll in die Wertstofftonne.

In der Praxis wird also nach der  Sammlung eine umfangreiche mechanische Sortierung durchgeführt. Um gemischte Abfälle automatisch zu trennen, kommen verschiedene Technologien zum Einsatz – vom einfachen Magneten, der Metalle herausfischt, bis hin zur KI-gestützten Bilderkennung zur Unterscheidung von Kunststoffarten. All das treibt die Recyclingkosten in die Höhe.

„Im Idealfall haben wir sortenrein gesammelte Materialien mit wenig Verunreinigungen, damit wir sie ohne aufwendige Prozesse weiterverarbeiten können“, erklärt Christian Abl, Geschäftsführer der Reclay Group. Die Reclay Group ist spezialisiert auf das Verpackungs- und Entsorgungsmanagement, die Entwicklung von Rücknahmesystemen für verschiedene Materialien und die Beratung von Industrie und Behörden bei der Umsetzung ihrer Recyclingziele.

Kreislaufwirtschaft ist Teamwork

Die Anhäufung von Abfall in unserer Umwelt ist zweifellos ein Problem. Aber es gibt Grund zum Optimismus: Wir verfügen über die Technologien, um eine Vielzahl von Materialien zu recyceln und Abfälle in Rohstoffe umzuwandeln. Gleichzeitig können Gesetze zur Durchsetzung der Kreislaufwirtschaft, Initiativen der Industrie und kleine Veränderungen im Verbraucherverhalten ihren Teil dazu beitragen.

Die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility EPR) ist ein politischer Ansatz, bei dem Händler und Hersteller finanziell für die Kosten verantwortlich gemacht werden, die mit der Bewirtschaftung ihrer Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus bis zum Ende ihrer Lebensdauer verbunden sind, anstatt die Verantwortung für die Behandlung und Entsorgung des Abfallprodukts vollständig den lokalen Behörden zu überlassen.    Die neue EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) wird diesen Ansatz verstärken, indem sie europaweit harmonisierte  EPR-Regeln auf der Grundlage das Verpackungsdesigns einführt. Händler und Hersteller, die auf nachhaltigere Verpackungen umsteigen, können von niedrigeren Gebühren profitieren, da das Recycling einfacher geworden ist.

Auch Unternehmen können zur Kreislaufwirtschaft beitragen, indem sie entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, die Bedürfnisse ihrer Geschäftspartner besser verstehen und mehr in die Recyclinginfrastruktur investieren.  

OMV hat zum Beispiel  in unsere ReOil®-Anlage investiert und sie kürzlich in Betrieb genommen. Sie nutzt unsere patentierte chemische Recyclingtechnologie, um Kunststoffe in kreislauffähige Rohstoffe für die Produktion von Chemikalien umzuwandeln, aus denen unter anderem neue Kunststoffprodukte entstehen. Darüber hinaus haben OMV und Interzero ein Joint Venture gegründet, um in Walldürn, Deutschland, eine der größten Sortieranlagen für chemisches Recycling in Europa mit einer Kapazität von bis zu 260.000 Tonnen pro Jahr zu bauen und zu betreiben.

Und auch die Verbraucher:innen können mit kleinen Verhaltensänderungen ihren Teil dazu beitragen, indem sie recycelbare Abfälle möglichst sortenrein trennen. „Die Hersteller:innen produzieren. Die Einzelhändler:innen verkaufen. Aber wenn die Verbraucher:innen nicht sammeln und sortieren, gehen 100 Prozent der Wertstoffe verloren“, so Abl. „Dieser erste Schritt ist entscheidend für die Kreislaufwirtschaft.“

Eine Kreislaufwirtschaft ist möglich, wenn alle zusammenarbeiten, um Abfällen eine zweite und dritte Chance zu geben. Wir sind stolz darauf, unseren Teil zu diesem Wandel beizutragen.